Die Tribüne bebt und bebt

Schöppingen - Jung-Nationalspieler Thomas Müller hat Recht: Deutschland bebt. Das gilt am Samstag auch für die Kulturhalle in Schöppingen. Beim zauberhaften 4:0 gegen Argentinien haben die Verantwortlichen des Public Viewing wohl so manches Mal Angst um ihre Tribüne. Mit rhythmischem Füßetrampeln bringen die weit über 200 Fans die Holzkonstruktion zum Beben. Doch im Gegensatz zur argentinischen Abwehr hält das Bauwerk. Es herrscht eine Stimmung, als wären die überwiegend jugendlichen Anhänger im Stadion. Einziger Vorteil: Kaum eine Vuvuzela stört die Atmosphäre.

Nur einmal kreischen die Gäste in der ersten Hälfte entsetzt auf. Jemand erdreistet sich, die Seitentür aufzumachen, will für frische Luft in der stickigen Halle sorgen. Doch neben Sauerstoff dringt auch Licht ins Dunkle. Licht, das die fußballerischen Glanzaktionen von Schweini und Co. auf der Leinwand nur noch schemenhaft erscheinen lässt. Wer braucht schon Sauerstoff? Also: Tür zu, und Schweiß pur genießen.

Sie geben alles. Die Kicker mit dem Adler auf dem Trikot genauso wie die Fans in der Kulturhalle. Argentiniens Nicolás Otamendi kassiert nach einem Foul Gelb. In der Halle bricht grenzenloser Jubel aus. Als hätte Deutschland schon den Titel gewonnen. Dabei ist es erst die 11. Minute. Und als Poldi nur 120 Sekunden später irgendwo im Nirwana des Mittelfeldes zwei Bälle blockt, wird frenetisch applaudiert. Drei Fans schwenken sogar ihre schwarz-rot-goldenen Fahnen. WM-Fieber pur.

Dann: Endlich ist Schluss - zumindest Halbzeit. Jetzt darf auch die Seitentür aufgerissen werden. Aber nur für 15 Minuten. Zu Beginn der zweiten Hälfte drücken die Südamerikaner. Die Männer in Schwarz brauchen Hilfe. Die kommt prompt aus Schöppingen. Die Fans geben alles. Klatschen, Gesänge, das ganze Repertoire. Sie sind enthusiastischer als viele der 64 100 Zuschauer im Kapstadter Green Point Stadium.

Und spätestens nach dem 3:0 geht die Party so richtig los. Natürlich mit einer gehörigen Portion Häme. Über Argentiniens Fußball-Gott Diego Maradona, der den Ball mit Fuß und Hand vielleicht so streicheln konnte, wie wohl kein anderer Kicker jemals vor und nach ihm, machen sich die deutschen Fans lustig: „Siehst Du Maradona, so wird das gemacht“, skandieren sie immer wieder. Schon vor dem Schlusspfiff liegen sich die Fans in den Armen.

Nach den 90 Minuten Fußball-Demonstration fliehen die meisten förmlich nach draußen. Doch vor der Halle wird´s richtig bitter. Kaum soll die La-Ola-Welle zelebriert werden, öffnet der Himmel seine Schleusen. So fällt die Freiluft-Party aus. Vielleicht nur bis Mittwoch - wieder in der Kulturhalle.

VON RUPERT JOEMANN
Westfälische Nachrichten